Es ist viel zu tun. Stehen wir zusammen: Schaffen wir mehr Frieden mit immer weniger Waffen!
Rede von Marlis Tepe, Vorsitzende der GEW (Gewerkschaft Eerziehung und Wissenschaft) am 1.12.2018 auf dem 25. Kasseler Friedensratschlag
Liebe Friedensaktive, lieber Willi von Ooyen,
herzlichen Dank für die Einladung zu eurem 25. Friedensratschlag. Ich war etwas überrascht von der Einladung, denn die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist ja eher ein stillerer Teil der Friedensbewegung. Gleichwohl hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Grundlage für die Positionierung des DGB im Jahr 2014 gelegt.
Vielleicht ist das und die Tatsache, dass ich für meine Gewerkschaft den Aufruf ‚Abrüsten statt Aufrüsten‘ erstunterzeichnet habe, der Grund dafür, dass ihr mich eingeladen habt.
Ich möchte euch zunächst über die Positionierung des DGB informieren und dann darüber sprechen, was der DGB vor allem aber die GEW tut.
Der DGB hat sich auf seinem Bundeskongress 2014 auf Antrag der GEW mit wenigen Einfügungen friedenspolitisch so positioniert:
Vortrag Beschluss U007 von 2014
Der DGB hat sich auf seinem OBK 2018 außerdem wie folgt positioniert:
„Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik muss sich daran orientieren, durch Diplomatie und die Unterstützung demokratischer Institutionen zur Friedenssicherung und Friedenserhaltung beizutragen. Insbesondere darf sich die EU nicht an militärischen Aktionen zur Rohstoffsicherung beteiligen. Die EU ist gefordert, sich für eine weltweite Abrüstungs- und Rüstungspolitik einzusetzen. Unerlässlich sind dafür eine konsequente Ausrichtung aller politischen Initiativen der EU an Rüstungskonversionsstrategien und einheitliche europäische Regeln für Rüstungsexporte. Zudem müssen die Aufwendungen für die zivile Friedenssicherung und -erhaltung deutlich aufgestockt werden. Die Forderung der NATO nach einer Erhöhung des Rüstungsetats auf 2% ist hingegen völlig verfehlt und wird deshalb abgelehnt.“
Soweit unsere DGB Position.
Ich sage immer: Papier ist geduldig, die Beschlüsse wurden nahezu einmütig gefasst. Was fehlt ist aber die lautstarke aktive Umsetzung.
Meine Gewerkschaft die GEW bleibt dran. Eine Unterschriftenaktion zum „Lernen für den Frieden“ hatten wir 2013 beschlossen. Allen Mitgliederzeitschriften – 280000 – lag eine Unterschriftenliste bei – so hatten wir beschlossen.
Am 9.10. 2014 konnten wir der Kultusministerkonferenz 23 000 Unterschriften übergeben und Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des DGB, unterstützte die Kampagne mit einem Brief an Sylvia Löhrmann, die damalige Präsidentin der KMK. Mir war es aber eigentlich zu wenig, was wir geschafft hatten. Ich bekräftigte die Forderungen meiner Gewerkschaft, bestehende Kooperationsvereinbarungen der Schulministerien mit der Bundeswehr zu kündigen, den exklusiven Zugang der Bundeswehr zu Bildungseinrichtungen zu beenden sowie Zivilklauseln an Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen zu verankern. Denn Bildung und Wissenschaft haben die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine friedliche Welt zu ergründen und über Kriegsursachen, Kriegsprofiteure und Kriegsideologie aufzuklären. Es widerspricht dieser Aufgabe, wenn Bundeswehr-Jungoffiziere an Schulen und Hochschulen für den Soldat*innenberuf werben und dabei über die Realitäten dieses Berufes hinwegtäuschen.
„Kinder im Visier der Bundeswehr“ unter diesem Motto kritisieren die GEW und Terre des Hommes die einseitige Nachwuchswerbung der Bundeswehr in den Medien, auf Tagen der offenen Tür und bei Vorträgen von Soldaten an Schulen.
Beachvolleyball im Bikini und Lagerfeuer am Strand: So buhlt die unter Nachwuchsmangel leidende Bundeswehr um junge Menschen. Krieg und Sterben sind aber „nicht sexy“.
Kinder und Jugendliche sind für die Bundeswehr eine attraktive Zielgruppe. Sie sind relativ gutgläubig, abenteuerlustig, risikofreudig und deswegen leichter für den Soldatenberuf zu begeistern als Erwachsene oder gar Mütter oder Väter mit Familie. Viele sind technikbegeistert und lassen sich auch mit Schnellfeuergewehren oder Panzern locken.
Offiziere, die an Schulen gehen und dort über die Arbeit der Bundeswehr informieren und dabei indirekt Nachwuchs werben, erzählen jedoch kaum etwas von den Schattenseiten der Militäreinsätze – und dass die Soldaten im Einsatz ihr Leben riskieren. Die Interessen der Bundeswehr sind offensichtlich wichtiger als das Wohl der Kinder. Dies ist eine Verletzung des Grundprinzips der UN-Kinderrechtskonvention, gemäß der das Wohl aller Personen unter 18 Jahren Vorrang haben muss.
Wir fordern eine Aufkündigung von Kooperationen von Schulen mit der Bundeswehr!
In regelmäßigem etwa jährlichem Abstand prangern wir die Rekrutierung Minderjähriger als Soldat*innen an. Dazu haben wir öffentliche Briefe an die Verteidigungsministerin geschrieben und auch Gelegenheit zum Gespräch gehabt.
Ein Gastbeitrag von mir in der Zeit zu den Vorträgen von Jugendoffizieren in den Schulen wurde viel beachtet.
Die Zahl minderjähriger Soldatinnen und Soldaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von 2.128 gestiegen. Damit verdreifachte sich die Zahl seit 2011. Laut der Studie „Why 18 matters“ von Child Soldiers International (CSI) liegt Deutschland nach den USA (16.000) und Großbritannien (2.400) auf Platz drei der westlichen Länder, die Minderjährige in ihre Armee aufnehmen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern nimmt dieser Trend hierzulande zudem zu. Mehr als drei Viertel aller Länder weltweit halten sich dagegen an den sogenannten 18-Jahres-Standard. Die GEW – und mit ihr der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, die Kinderkommission des Bundestags und viele weitere Organisationen – fordert seit langem den Stopp der Rekrutierung Minderjähriger.
Im Januar 2017 gründete sich das bundesweite Netzwerk Friedensbildung im Haus der GEW in Frankfurt neu. Es will die Friedensbildung in Deutschland fachlich und politisch stärken. Das ist bitter notwendig angesichts der weltweiten Kriege und Konflikte und nicht zuletzt wegen der zunehmenden Präsenz der Bundeswehr im Bildungswesen. Manchen von euch mögen Dr. Ilka Hoffmann, unser Vorstandmitglied für Schule und die Referentin für Schule Martina Schmerr auf Grund ihres friedenspolitischen Engagements bekannt sein. Sie sind Stützen des Netzwerks Friedensbildung.
Im Oktober 2018 hat in Hofgeismar mit unserer finanziellen und ideellen Unterstützung eine wissenschaftliche Fachtagung zur politischen Bildung und Demokratieerziehung stattgefunden. Die Ergebnisse werden wir der Öffentlichkeit im Januar 2019 vorstellen.
Ich selbst unterstütze Veranstaltungen der Zivilklauselbewegung und nehme etwa einmal im Jahr an entsprechenden Veranstaltungen teil. Ebenso unterstütze ich Wissenschaftler für den Frieden.
Bewaffnete Konflikte bedrohen immer mehr Menschen, verhindern den Zugang zu Bildung, sie traumatisieren und zerstören Zukunftsperspektiven. Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, mehr als die Hälfte sind Kinder. Das Menschenrecht auf Bildung muss für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen gelten – ausnahmslos. Das entspricht der UN-Kinderrechtskonvention und dem Berufsethos der Bildungsinternationale, deren Vizepräsidentin ich bin, dafür tritt auch die GEW ein.
Mit ungezählten Maßnahmen setzt sich die GEW für das Recht auf Bildung geflüchteter Kinder und Erwachsener ein. Wir fordern gegenüber der Politik gute Lernbedingungen und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten – insbesondere für die prekär Beschäftigten in den Integrationskursen. Unsere Forderung nach 24 000 zusätzlichen Lehrkräften als 2015 so viele Menschen zu uns kamen wurde von der Kultusministerkonferenz aufgegriffen und umgesetzt. Es fehlt noch überall – aber wir können auch stolz sein auf viele Mitglieder, die die Geflüchteten unterstützen, die ehrenamtlich oder hauptberuflich Sprachkurse anbieten. Wir machen uns stark gegen Rassismus und Ausgrenzung und unterstützen geflüchtete Kollegen dabei, damit sie auch hier als Lehrkräfte arbeiten können.
Das Fachkräftezuwanderungsgesetz werden wir kritisch begleiten. Bildungseinrichtungen müssen von Meldepflichten gegenüber Ausländerbehörden ausgenommen bleiben.
Liebe Friedensaktive: Es ist viel zu tun. Stehen wir zusammen: Schaffen wir mehr Frieden mit immer weniger Waffen!
Seien wir laut für den Frieden! Aus den Reihen der Vorsitzenden der Gewerkschaften habt ihr mich auch als Vizepräsidentin der Bildungsinternationale an eurer Seite!