abrüsten statt aufrüsten auch in Ravensburg aktiv
Wolfram Frommlet schreibt:
Liebe Freunde,
wir – Initiator die lokale Gruppe „aufstehen“ – veranstalteten eine Kundgebung am 17. November. Leider nicht allzu gut besucht, da der „übliche“ Platz belegt war wegen eines Martini-Marktes. Im Anhang meine Rede, die ich zwei Mal hielt, zusammen mit alten Friedenssongs.
Muss checken,. ob wir noch Unterschriften hier haben.
Solidarische Grüße,
Wolfram Frommlet
„abrüsten statt aufrüsten“ – Kundgebung in Ravensburg, 17.11.2018
Redebeitrag von Wolfram Frommlet
Meine Damen und Herren, liebe Rüstungsfreunde oder –Rüstungsgegner
Herzlich willkommen zu einer Kundgebung im Rahmen der bundesweiten Kampagne „abrüsten statt aufrüsten“, die getragen wird vom Netzwerk Friedenskooperative, von kirchlichen Friedensinitiativen und Gewerkschaften wie verdi.
Die Erinnerungskultur boomt – zum Ende des I. WK vor 100 Jahren, Reichspogrom-Nacht, Frauenwahlrecht und bald, am 27. Januar wieder, der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Weihevolle Worte, aber an einiges wurde nicht erinnert. Dass dieses Land, dessen Rüstungsindustrie erst den Tod, die Ermordung von über 80 Millionen Menschen ermöglichte, dass dieses Land mit seinen Rüstungsfirmen – ein Großteil davon dieselben wie damals – zum drittgrößten Rüstungsexporteure der Welt wurde. Mit deutschen Leopard-Panzern vernichtet die Armee des türkischen Diktators Erdogan die Kurden, bis endlich keine mehr vorhanden sind. 14 Millionen Jemeniten stehen vor dem Hungertod, die Saudis und ihre Verbündeten kämpfen u.a. auch mit deutschen Waffen. Die Zerstörungen eines Landes mit einem der bedeutendsten Welterbe in Sanaa aus der Luft sind möglich durch die Tankflugzeuge Airbus A330 – Teile davon in Deutschland hergestellt -, die Seeblockade wird unterstützt durch Kriegsschiffe der Lürssen-Werft. Endlos die Liste der diktatorischen oder autokratischen Regime, u.a. in Lateinamerika, wo die schwerbewaffnete Polizei Demonstrationen von Landlosenbewegungen, von Gewerkschaftern, von Arbeitern mit Heckler &Koch-Gewehren niederschießt. In Myanmar, dem früheren Birma, kommen die Gewehre der buddhistischen Armee, die die muslimische Rohyinga-Minderheit abknallt, seit den 80er Jahren vielen Jahren von der Fritz-Werner GmbH. Sie lieferte auch chemische Materialien für iranische Waffenfabriken im Irak-Krieg.
An der weltgrößten Rüstungsmesse in Abu Dhabi nehmen jedes Jahr über 60 deutsche Firmen teil – von Rheinmetall, MTU, ZF, Howaldt Werft, Krupp, Diehl, bis zu so harmlos klingenden wie Zeiss Optronics oder Junghans.
Alte Geschichten – im Apartheid-Südafrika stammten die 2.500 gepanzerten Unimogs der Polizei, von denen sie die Aufständischen in Soweto niederschoss wie räudige Hunde (auch Kinder und Jugendliche) von Daimler. Zu den Partnern des Apartheid-Regimes zählten auch deutsche Rüstungsfirmen wie Mannesmann, Krupp, Rheinmetall, MAN und MBB.
Zurück in die Erinnerungskultur. Die der 68er – nie wieder Hiroshima und Nagasaki, war einer der Slogans. Deshalb unterschrieben im Juli 2017 in der UNO-Generalversammlung 133 Staaten das Abkommen zum Verbot von Atomwaffen. Nicht dabei bis heute – die Bundesrepublik Deutsch-land. Weshalb in Ramstein noch immer welche stationiert sind.
Welch eine Freude für diesen amerikanischen Psychopathen, der im Mai aus dem so wichtigen Atomabkommen mit dem Iran ausstieg und im Oktober INF verließ, mit der Drohung, neue Atomwaffen produzieren zu lassen. Zur Erinnerung – am 8. Dezember 1987 unterzeichneten im Weißen Haus Ronald Reagan und Michail Gorbatschow eines der bedeutendsten Abrüstungsabkommen des Nuklearzeitalters. Der INF-Vertrag führte dazu, dass insgesamt 2692 Kurz- und Mittelstrecken-raketen verschrottet wurden. Ein großer Schritt, den Kalten Krieg zu beenden und den Rüstungswahnsinn. Den aber heizt dieser Wahnsinnige nun neu an in vielfältiger Weise:
Das Fachmagazin Jane’s Defence Weekly schätzte im Oktober 2017, dass die Kosten, die Nuklear-Streitkräfte auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten, 1.200 Billionen Dollar kosten würde, sie zu modernisieren bis etwa 2046– wie Trump es will – weitere 400 Billionen Dollar. 1.600 Billionen – das ist eine Zahl mit 13 Nullen. Finanziellen, nicht politischen.
Und dies nur eines der prioritären Rüstungsprojekte der USA – ein anderes die Lockheed Martin F-35 Lightning II, ein Tarnkappen–Mehrzweckkampfflugzeug. Es soll in vielen westlichen Luftwaffen die
F-16 Fighting Falcon oder noch ältere Muster ersetzen. Kosten über die nächsten 50 Jahre – 1,4 (amerikanische) Trillionen US Dollar über die nächsten 50 Jahre. – das sind auf deutsch 1.400 Milliarden; eine Zahl mit 18 Nullen. US-amerikanische Friedensinitiativen nutzen einen Vergleich. Den gesamten Hunger auf der Welt zu beenden würde 30 Milliarden, den weltweiten Mangel an Trinkwasser zu beseitigen würde 11 Milliarden kosten. Die Vergeudung solcher Unsummen für Rüstungsetats tötet mehr Menschen, als dieses Kampfflieger jemals töten wird.
Buchstabieren wir diesen Irrsinn zu Ende:
Trump und seine Rüstungslobby fordern die Erhöhung des NATO-Etats in jedem Mitgliedsland um jährlich 2% des BIP bis 2014/15. Momentan liegt der gesamte NATO-Etat bei ca 900 Milliarden jährlich. Mit dieser Strategie dann in etwa sieben Jahren nach Schätzungen von Rüstungsexperten bei 2.000 Milliarden. Auf die Bundesrepublik bezogen – von jährlich 35 auf ca 80 Milliarden. Schampus in Strömen, Segelboote und Golfplätze in den Rüstungsfirmen, ein humanitäres Verbrechen aber für die Mehrheitsbevölkerungen – weil dieser Aufrüstungswahnsinn, wie die 50 illegalen Milliarden Steuerhinterziehungen, einen anderen Krieg verursachen werden – sie zerstören den sozialen Frieden in allen NATO Ländern, so es einen solchen denn überhaupt noch gibt. Rüstung wird auf Kosten der Sozial-, der zivilen Forschungs- und der Bildungsetats finanziert. Ja, der alte Erzfeind Russland – Putin reduziert seinen Rüstungsetat auf 80 Milliarden. Was bleibt ihm, als ebenfalls aufzurüsten – und die soziale Not von Millionen in Russland zu erhöhen. (Was keine Relativierung der Militäreinsätze im Irak, in Tchechenien und der Ukraine bedeutet, doch auch keine der US-Interventionen)
Griechenland ist ein exzellentes Beispiel: Mit Millionen an Schmier-geldern, in die Chefs deutscher Rüstungsfirmen involviert waren und auch zwei SPD-Bundestagsabgeordnete, wurden an das verschuldete Griechenland deutsche Waffen, von EADS-Helikoptern bis zu Marinebooten und Gewehren verkauft, vorbei an beiden Parlamenten. Zurückbezahlt haben die Schulden nicht die griechischen milliardenschweren Reeder, sondern die Armen. Davon sprach der christliche Minister Schäuble nie, als er die Daumenschrauben gegen Griechenland anzog. Und gegen wen sollte in Zukunft Griechenland deutsche Waffen einsetzen sollen, von wem wird es angegriffen?
Die schönsten Früchte aber trägt die innige Freundschaft zwischen Frau Merkel und Herrn Macron. Auf der Luft- und Raumfahrtmesse ILA 2018 in Berlin unterzeichneten die Verteidigungsministerinnen beider Länder, Ursula von der Leyen und Florence Parly – das ist die wahre Frauenemanzipation! – das gemeinsame Vorhaben für Aufklärungs- und Transportflugzeuge sowie ein neues Kampfflugzeug-System.
Die Produzenten haben Namen – Airbus Defence and Space aus Ottobrunn und Dassault Aviation in Paris. Angesichts eines geschätzten Gesamtvolumens von mindestens 80 Milliarden Euro jubelt Airbus-Chef Dirk Hoke, es handele sich um »das größte Rüstungsprojekt Europas«. Eine kleine Gehaltserhöhung wird ja wohl drin sein.
Einst war die Europäische Union ein Friedensprojekt. Damit dem so bleibe, präsentiert Angela nun zum Abschied ihrem Freund Emmanuel und der gesamten EU die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee – zusätzlich zur Nato. Ihre Begründung zu begreifen, reicht eine durchschnittliche Intelligenz nicht aus – damit sei garantiert, dass europäische Nationen nie wieder Krieg gegeneinander führten. Eine Gefahr, die wahrlich täglich zu erkennen ist. Nein, Kabarett geht nicht mehr. Die Wirklichkeit ist viel makabrer. Dem Rüstungsunternehmer Serge Dassault gehört übrigens, ganz zufällig, die überregionale französische Tageszeitung Le Figaro. Dies nennt sich freie und unabhängige Presse.
Ein kurzer Blick über Europa hinaus:
In die ehemaligen Kolonien Europas, in den Nahen Osten, in den Iran, die ehemaligen Vasallen-Staaten der Sowjetunion (wegen ihrer unendlichen Rohstoffe mit die größten Rüstungsimporteure):
Seit Beginn der Unabhängigkeit der Staaten Afrikas, Asiens und Afrikas intervenierte der Westen (in sehr wenigen Fällen die Sowjetunion) und stürzte mit Gewalt jede halbwegs unabhängige oder gar sozialistische Bewegung bzw junge Regierung. Sie inthronisierten Marionetten, die sie bis an die Zähne bewaffneten, mit denen sich in Folge deren Länder mühelos ausplündern ließen – die Raubmilliarden der post-kolonialen Diktatoren waren und sind sicher auf Züricher, Pariser und Londoner Groß-Banken. Oder bei Chase Manhattan & Co.
Die Waffen dieser Polizeistaaten, der Bürgerkriegsrebellen, der Putschisten kamen zum überwiegenden Teil aus dem Westen. Bezahlt wurden sie mit Rohstoffen, oder über die Auflagen von Weltbank und Währungsfonds (IMF) aus den radikal gekürzten Bildungs- und Sozialetats. (Beispiele nenne ich gerne im Gespräch). Dutzende von sog. Bürgerkriegen, Militärputsche gegen demokratische und hoffnungsvolle Regierungen gehen auf Kosten dieser inszenierten, hochgerüsteten Diktatoren und Militärregime – einige der Führer hatten ihre Militärausbildung an Eliteakademien in Frankreich und England oder der US-CIA-Akademie, der scuola de las Americas absolviert. Verwüstete Länder, Millionen von Toten und Vertriebenen, Kindersoldaten, Massenvergewaltigungen. Angefangen von Vietnam über Biafra, Uganda, Mozambique, Angola, Ghana, Guatemala, Salvador, Chile, Somalia, Kamerun, Zentral-Afrikanische Republik, Argentinien, Ruanda (wo kurz vor dem Suizid die Bundeswehr Ausbilder stationiert hatte, denen nichts auffiel) – um nur ein paar zu nennen. Keines dieser Länder produziert nur ein einziges Gewehr – ohne die Waffenlieferungen des Westens sähen diese Kontinente anders aus. Doch es ging um Rohstoffe – um Industrie-Diamanten, Edelhölzer, Gummi (für Goodyear oder Firestone u.a.), um Aluminium, Minen mit Gold, Zinn und Zink, um Kobalt und Cadmium, um unendlich viel Öl, unendlich viel Land, bis heute, für Agrobusiness, und heute um die Rohstoffe für die coole die E-Mobilität (eines neuen Porsche mit 600 PS zB,) oder um die Edelmetalle der high-tech Rüstung am Bodensee. Das weiß jeder, der dort produziert und forscht, das wusste immer jeder, der Waffen für – oh pardon!! – für Verteidigung natürlich – produzierte und produziert bzw. erfindet . Oder elektronischen Wegwerf-Schnickschnack. Mehr denn je zerstören die oft kriminellen Rohstoff-Förderer und Händler die Umwelt, hinterlassen die Hölle für die Bewohner in Brasilien oder dem Congo. .
In all den Rüstungsschmieden hat Protest bisher keine Chance. Bei den Beschäftigten nicht und nicht bei den Betriebsräten. Egal, ob Menschen-rechte oder keine, Gewaltregime, oder halbwegs funktionable Demokratien – Waffenproduktion bedeutet gut bezahlte und bislang sichere Arbeitsplätze. Für die akademischen Mitarbeiter – rein wissenschaftlich und ohne jede Ethik betrachtet – spannende Herausforderungen.
Mit ihnen dürfte eine Diskussion nur möglich sein, wenn es zukunftsfähige, mindestens ebenso spannende zivile Alternativen gibt – also: Rüstungskonversion (vermutlich aber mit geringeren Gewinnen und Gehältern – das ist das Problem!) Und genau dazu gibt es bislang viel zu wenig konkrete Ideen, Projekte und vor allem Investoren. Weshalb wir einen langen Atem brauchen werden.
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