Rede von Barbara Heller bei „Bremen zeigt Gesicht“
Barbara Heller (Bremer Friedensforum)
Redebeitrag 14.11.2018 „Bremen zeigt Gesicht“
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde, wir gehen heute auf die Straße für eine offene, freie und solidarische Gesellschaft.
„Wir stehen ein für das gleiche, unveräußerliche Recht auf ein selbstbestimmtes, gutes Leben in Freiheit“, heißt es in dem Aufruf für die Demonstration und Kundgebung.
Das Bremer Friedensforum geht heute mit der Losung: Unteilbar gegen Sozialabbau, Rassismus, Krieg auf die Straße. Jüngste Umfragen haben wieder bestätigt: in Deutschland gibt es einen gleichbleibend großen Bevölkerungsanteil mit rechten und rassistischen Positionen. Wir erleben heute, wie diese Bevölkerungsgruppe von AfD, Pegida, NPD und Reichsbürgern aktiviert und lebendig gemacht wird. Woran liegt das? Die Demagogen setzen bei berechtigter Kritik und Sorge von Bevölkerungsteilen an. Wer arbeitslos ist, wer keine angemessene Wohnung findet, wer arm ist, wer Angst um sein Erworbenes hat, wer sieht, dass die Politik nicht seine Interessen vertritt, wird anfällig für rechte Demagogie. Die Armut in Deutschland, in diesem reichen Land, ist gemacht. Sie ist gemacht durch Gesetze, die im Bundestag beschlossen wurden und werden. Hartz IV ist nicht vom Himmel gefallen und die Abschaffung der Vermögenssteuer ebenso wenig. Wer den Reichen gibt, muss den Armen nehmen. Sehr wohl begreifen die Menschen in unserem Land den Satz von Bertolt Brecht: Und der Arme sagte bleich, wär‘ ich nicht arm, wärst Du nicht reich. Das gilt auch für Bremen, wo in Bremerhaven die Kinder am ärmsten sind in der ganzen BRD und wo es reichlich Reichtum gibt, ich nenne stellvertretend die Namen Kühne, Jacobs, Fuchs und Lürssen.
Unter dieser Ungleichheit verkommt die Demokratie. Demokratie lebt von der Beteiligung der Menschen am Gemeinwesen. Heute haben wir die marktkonforme Demokratie, das heißt, die Politik macht Gesetze, die dem Markt dienen statt dem Menschen. Die Bürgerinnen und Bürger, die dieser marktkonformen Demokratie unterworfen sind, sind nicht so blöd, dass sie das nicht merken. Aber Kritik an gesellschaftlichen Zuständen orientiert sich in Deutschland meistens nach rechts und tritt nach unten. Die ärmsten der Armen, die Geflüchteten werden zu Sündenböcken für die Misere gemacht. Rassismus wird hoffähig.
Wer das nicht will, muss aktiv werden gegen Sozialabbau. Unteilbar gegen Sozialabbau, Rassismus, Krieg.
Ja auch gegen Krieg. Die Kriege, an denen sich auch die Bundesrepublik beteiligt, wären nicht möglich ohne Rassismus. Mit welchem Recht bombardiert die NATO, oft unterstützt von Deutschland, fremde Länder? Das Völkerrecht erlaubt das nicht. Es ist die Selbstmandatierung des weißen Mannes. Der Westen entscheidet, wer, wo regieren darf und wer nicht. Zur Begründung von Kriegen werden oft die Menschenrechte bemüht. Ich gehöre zu den Mahnwachenfrauen des Bremer Friedensforums, die jeden Donnerstagnachmittag in der Bremer Innenstadt für Frieden, Gerechtigkeit und Abrüstung demonstrieren. Eines unserer Schilder lautet: Ginge es um Menschenrechte, dürfte es Hunger auf der Welt nicht geben. Jeden Tag sterben 24.000 Menschen an Hunger oder den Folgen von Unterernährung, 3/4 davon Kinder unter 5 Jahren. Mit 10% der weltweiten Rüstungsausgaben könnte der Hunger aus der Welt geschafft werden.
Kriege sind der größte Verstoß gegen die Menschenrechte. Niemals zuvor gab es im Verhältnis so viele zivile Opfer von Kriegen wie heute. Zuerst sterben die Kinder, die Alten, die Zivilpersonen, sie sind Opfer der Bombardierungen und Opfer der Zerstörung der zivilen Infrastruktur der Länder, wie wir es jetzt in Syrien und im Jemen sehen. Im Jemen findet, laut UNO, die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit statt. Damit haben wir nichts zu tun? Doch! Deutschland ist enger Verbündeter der verbrecherischen Kriegsmacht Saudi-Arabien. Mit den Patrouillenbooten des Bremer Kriegsschiffbauers Lürssen sorgen die Saudis dafür, dass keine Nahrung, keine Medikamente, keine lebensnotwendigen Ersatzteile ins Land kommen und praktisch niemand aus dem Land fliehen kann und dann vielleicht bei uns als Flüchtling vor der Tür steht. Wie ist es möglich, dass diese menschenverachtende Politik in Deutschland kaum thematisiert und schon gar nicht verurteilt oder verhindert wird? Ein Grund dafür ist der tiefsitzende Rassismus. Die Jemeniten scheinen keine Menschen wie Du und ich zu sein, sie haben keine Gesichter, keine Namen, keine individuellen Schicksale. Ihr Leben zählt nicht. Das ist Rassismus. Eine alte Kolonialhaltung, die bis heute ihre Wirkung zeigt.
Unsere geflüchteten Freunde sagen uns: wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört. Schluss damit! Schluss mit deutschen Kriegseinsätzen. Wir protestieren gegen eine Politik, in der das Leben von Hunterttausenden, die nicht Europäer oder Nordamerikaner sind, nicht zählt. Das ist Rassismus. Die Trennungslinie verläuft für uns nicht zwischen „Schwarzen, Weißen, Braunen, Gelben“, wie es in einem alten Lieder der Arbeiterbewegung heißt, die Trennungslinie verläuft zwischen oben und unten, zwischen arm und reich. Die einen verdienen am Krieg, die anderen verlieren alles, Besitz und Leben.
Wir demonstrieren gegen Rassismus und Krieg. Wir fordern Abrüsten statt Aufrüsten!
Die Bundesregierung fährt indessen ihren Kriegskurs weiter. In diesen Tagen wird im Bundestag eine Aufrüstung von 11% für das nächste Jahr beschlossen. Insgesamt sollen die Militärausgaben von derzeit etwa 35 Milliarden € auf mehr als 70 Milliarden erhöht werden. Wir wissen, was das bedeutet, weniger Geld für Soziales, mehr Armut, mehr Angst, mehr Wasser auf die Mühlen der Rechten und Faschisten. Und es bedeutet: noch mehr Kriege, noch mehr Flüchtlinge, noch mehr Zuspitzung der Konfrontation gegen Russland.
Wir zeigen Gesicht für eine offene, solidarische Gesellschaft.
Wir fordern: Schluss mit Sozialabbau, Rassismus und Krieg!