Christoph von Lieven: Wovor hat Heiko Maas Angst? Und Robert Habeck? Und Annegret Kramp Karrenbauer?
Redebeitrag auf der Abrüsten Aktionskonferenz am 18. April 2021
Rede Christoph von Lieven, Special Projects-Campaigner Greenpeace
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitstreiterinnen,
(Danke das ihr hier seid und ich hier sprechen darf.)
Wisst ihr eigentlich, wovor Heiko Maas Angst hat? Und Robert Habeck?
Davor, dass sie nicht mitreden dürfen, wenn die großen Macker wie Joe Biden, Xi und Putin den Gang der Welt bestimmen. Sie denken offensichtlich, dass sie wenigsten ein paar Atombomben im eigenen Land brauchen, ein wenig Urananreicherung, ein tolles neues Flugkampfsystem um manchmal wenigstens mit am Tisch sitzen zu dürfen.
Deswegen wollen sie den Atomwaffenverbotsvertrag auch nicht unterschreiben!
Dass sie viel mehr ernst genommen würden, wenn sie endlich mal eine neue, eigenständige und friedliche Rolle für dieses Land entwickeln, merken sie gar nicht. Weil sie eben nicht souverän sein wollen und denken können.
Das diese neue deutsche Rolle aber der weitaus größte Teil der Menschen hier will, zeigen immer wieder unsere Umfragen! Wegen diesem Widerspruch zwischen Regierenden und möchte gern Kanzlern auf der einen und den Menschen auf der anderen Seite werden Beschlüsse wie zu Atombewaffnung, zur Aufrüstung, zur Kriegsteilname auch nicht zu Abstimmung gestellt.
Annegret KK dagegen träumt, ganz im Sinne unserer Wachstumsideologie, von immer mehr:
„Im Schnitt bekomme die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff.[1]“
Das sind Fakten von der Website der Bundeswehr! Es reicht ihr aber nicht!
51 Mrd. Euro letztes Jahr für Rüstung, daraus sollen 70, 80, 90 Milliarden werden. Damit nicht nur eine Fregatte nach China geschickt werden kann, nicht nur 500 Soldaten nach Litauen,1000 in die Ukraine, nicht nur 38 neue Kampfbomber gekauft werden können. Sondern viel, viel mehr.
Das ist Priorität und die Botschaft von Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer an die Pflegekräfte in den Krankenhäusern, an diejenigen die um ihre Existenz kämpfen, an die vor Krieg und Klimakrise Betroffenen, an die Ertrinkenden im Mittelmeer und an diejenigen die sich hier für eine zukunftsfähige Welt engagieren. Es geht bei den paar Soldaten in den Gesundheitsämtern nicht primär um das Helfen, dort könnten unbefristete neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es geht auch darum Akzeptanz für Uniformen und Militarisierung im Alltagsbild zu schaffen, davon abzulenken das Kriegshandwerk seit Jahrtausenden Tod bedeutet.
Über 50 Mrd. Euro wurden 2020 nur von der deutschen Bundesregierung für angebliche Verteidigung ausgegeben. Nicht für Entwicklungshilfe, für Armutsbekämpfung oder gegen die Klimakrise. Oder eben für eine angemessene Bezahlung von Pflegekräften, Kindergärtnern, Lehrern und Feuerwehrleuten. Wenn ich frage gegen wen wir uns militärisch verteidigen müssen, wer soll Deutschland den aus welchem Grund angreifen – gibt es keine plausible Antwort.
Lasst euch das einmal durch den Kopf gehen.
Das ist eine Politik der Unsicherheit, der gegenseitigen Bedrohung, eine Politik welche die globalen Herausforderungen der Pandemie, von Hunger, Armut und Klimakrise, nicht konstruktiv annimmt, sondern verstärkt.
Es wird nicht mehr auf globale Verträge gesetzt, auf Ausgleich und gemeinsame Lösungen für die bestehenden Probleme – Deutschland rüstet auf! Ebenso wie andere Staaten.
Diese Bundesregierung will mit der EU, den USA und der Nato weltweit militärisch agieren – im Pazifik, in Afrika, im Nahen und mittleren Osten.
Warum?
Es wird immer wieder schön gesagt es gehe um demokratische und europäische Werte – Aber diese Werte sind seit Jahren tausendfach im Mittelmeer ertränk, in den Lagern Südeuropas gedemütigt und durch deutsche Waffen weltweit ermordet worden.
Selbst das kann sich noch steigern:
Mit Massenvernichtungswaffen die unterschiedslos alles Leben töten.
Zu dieser Kategorie gehören chemische, biologische und atomare Waffen.
Die CDU Mehrheit dieser Bundesregierung will die hier liegenden Atomwaffen nicht abschaffen sondern erneuern – es sollen modernere, zielgenauer einsetzbare Atombomben hierhergebracht, gelagert und im Kriegsfall von deutschen Piloten und Flugzeugen über ihren Zielen abgeworfen werden. Auch die Grünen und die SPD können sich nicht durchringen ein Verbot von Atomwaffen zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung zu machen.
Damit das funktionieren kann wird das Atomwaffenlager am Fliegerhorst Büchel grade saniert, dafür sollen für viele Milliarden Euro neuen Kampfbomber gekauft werden. Jedes Jahr gibt es hier Übungen wie die Atomwaffen an die Kampfbomber montiert und in ihre Ziele gebracht werden können.
Wie haben im Verteidigungsministerium gefragt wer das auf welcher gesetzlichen Grundlage plant – aber bekommen keine Antwort. Es gibt nämlich keine Grundlage dafür!
Die Entwicklung von Atomwaffen wurde hier schon unter dem Nazi Regime begonnen – und zum Glück für die Menschheit nicht vollendet. Aber einige Forscher von damals konnten weitermachen. Und heute wird in Deutschland gemacht was zb dem Iran verboten wird: in Gronau bei Urenco wird Uran angereichert und Tritium hergestellt, in Garching wird mit waffenfähigem Uran geforscht, es gibt deutsch-schwedische Cruise Missiles und teure Flugzeuge, die nur für den Abwurf von Atombomben da sind. Airbus baut an den französischen Atomraketen mit, VW liefert Motoren für Atom-Uboote.
Das jetzt deutsche Soldaten üben diese Massenvernichtungswaffen einzusetzen, dass jetzt von unserem Geld Flugzeuge gekauft werden sollen mit deren Hilfe Millionen von Menschen getötet werden können – das darf einfach nicht sein! Und es geht noch weiter: es ist nicht einmal ausgeschlossen das die hier liegenden Atomwaffen als erstes in einem Krieg eingesetzt werden. Im Unterschied zu anderen Ländern und Bündnissen haben Deutschland und die NATO den atomaren Erstschlag nicht ausgeschlossen. Und der angebliche Verzicht auf Atomwaffen gilt nicht mehr wenn eine Bundesregierung Deutschland existentiell bedroht sieht.
Es wird immer wieder gesagt Atomwaffen hätten dafür gesorgt, dass es keinen Krieg gegeben hat. Aber das stimmt einfach nicht. Es gibt dauernd Kriege, viele Tausend Tote, Millionen auf der Flucht zeugen davon.
Die Abwesenheit von Krieg im Westeuropa der letzten Jahrzehnte hat nichts mit der Abschreckung zu tun, sondern damit das es lohnenswert war Handel zu treiben. Jetzt, wo die Umwelt an vielen Stellen zerstört ist, die Klimakrise das Leben erschwert, es immer mehr Ressourcenkonkurrenz gibt, wird sogar der Atomkrieg wieder eine offene Option. Der Oberbefehlshaber der NATO– General Tod Wolters, schwadroniert sogar davon er sein ein Fan des flexiblen Erstschlags.
Admiral Richard, Chef von USSTRATCOM …
Was wir brauchen ist eine Neuorientierung der Politik, eine neue, friedenspolitische Orientierung. Mindestens Deutschlands eigentlich Europas. 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten von hier ausgehenden Weltkriegs mit Millionen Toten, muss dieses Land zeigen das es sich wirklich gewandelt hat und zum internationalen Friedenvermittler werden. Um das glaubwürdig zu machen, darf es hier keine Atomwaffen geben, muss Deutschland abrüsten und zeigen das wir weltweit diesen Wahnsinn nicht brauchen.
Wir haben in den letzten drei Jahren repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben aus welchen eindeutig hervorging, dass Atomwaffen in Deutschland abgeschafft werden, und Deutschland dem 2017 in der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag beitreten soll.
Dieser Atomwaffenverbotsvertrag ist von 122 Ländern unterstützt worden, 87 Ländern haben ihn unterzeichnet und 53 Länder ratifiziert und er ist am 22. Januar 2021 in Kraft getreten – die Bundesregierung war und ist gegen das Atomwaffenverbot! Weil sie die Diskussion um echte Sicherheit – die es nur miteinander und nicht Gegeneinander geben kann, nicht führen wollen. Weil es die Einbindung in NATO und der EU – Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt, welche von Abschreckungsbefürwortern dominiert wird, anstatt vom Gedanken der Zukunftssicherung.
Wir haben gesehen das die Abschreckungslogik zu mehr Atomwaffenstaaten führt, zu einer Aufrüstungsspirale, die kaum zu durchbrechen ist.
Die Menschen hier in Deutschland und Europa, ich bin sicher die meisten Menschen weltweit, wollen in Frieden und Sicherheit leben. Aber Frieden und Sicherheit bekommen wir nur durch Abrüstung, dadurch das Vertrauen aufgebaut und Feindbilder abgebaut werden. Nicht durch Aufrüstung und gegenseitige Bedrohung.
Wir brauchen eine Lebenswerte, solidarische Welt. Wir müssen verhindern das Aufrüstung, Krieg und die Zerstörung von Lebensgrundlagen so weiter gehen und uns in eine Sackgasse führen an deren Ende auch das Ende der Menschheit ist. An der Aufrüstung profitieren nur wenige, sie ist Brandgefährlich für alle!
Wir fordern alle Parteien sowie deren KandidatInnen, Kandidaten persönlich auf echte Abrüstung hin zu arbeiten und die Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung zu machen! Jetzt können wir in Bürgersprechstunden, bei der Vorstellung von KandidatInnen für den Bundestag, bei ihren Ständen auf der Straße und im Internet anfragen und ihnen mitgeben das wir Abrüstung brauchen und zwar mit konkreten Schritten nicht nur als Lippenbekenntnis!
Lasst uns zusammen dafür aktiv sein den Kriegs- und Rüstungswahnsinn zu beenden. Und alle Parteien in den anstehenden Bundestagswahlen dazu verpflichten Deutschland, nach den zwei begonnenen Weltkriegen, zu einem Meister des weltweiten Friedens, der echten Sicherheit, des solidarischen und guten Lebens und der echten Zukunftsfähigkeit zu entwickeln!
Um auf den Anfang zurückzukommen: lasst uns dafür Sorge tragen das Heiko Maas und Annegret Kramp Karrenbauer keine Angst mehr haben müssen, und eine neue Friedenspolitik durchsetzen.
Wir haben im Herbst die Wahl. Nutzen wir sie! Vielen Dank!
[1] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/akk-freiheit-seewege-nicht-zum-nulltarif-228864