10. Warum verfolgt die NATO nach Auflösung des Warschauer Paktes und nach dem Ende und dem Zerfall der Sowjetunion ein so gewaltiges Aufrüstungsprogramm?
Die am 21. November 1990 unterzeichnete Charta von Paris für ein neues Europa schrieb einen Friedens- Entspannungs- und Abrüstungsprozess für Europa durch die Unterschrift aller europäischer Staats- und Regierungschefs fest. Kurze Zeit später begann in der NATO die Debatte um die Osterweiterung der NATO. 1997 wurde mit den ersten Aufnahmen von Polen, Tschechien und Ungarn die erste Runde der NATO-Osterweiterung abschloss Bis heute führte die politisch gewollte Erweiterung dazu, dass aus 16 NATO Ländern bald 30 werden. Die NATO-Osterweiterung verstößt gegen den Geist der Charta von Paris, gegen vielfältige diplomatische versprechen und Ankündigungen. Die drei Erweiterungsrunden der NATO bis 2008 und die Ankündigung ihrer weiteren Expansion sind die Grundlage für vielfältige konfrontative Auseinandersetzungen, an denen Russland – der Opponent der Ausdehnung – beteiligt ist u.a. auch um Georgien und Ukraine. Das Raketenabwehrsystem verstärkt diese Konfrontation und führt Schritt um Schritt zu Beendigung aller Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge wie Vertrag zur Konventionellen Rüstung, ABM-Vertrag, Open Sky Vereinbarung. Politische und militärische Reaktionen Russland verstärken aus Sicht der NATO die Notwendigkeiten der Erweiterung und die immense Aufrüstung.
Es geht um die „Eindämmung“ Russlands, das nicht mehr nur als „politischer Gegner“ sondern seit dem NATO-Gipfel von Wales 2016 auch wieder als „Feind“ betrachtet wird. Das autoritär regierte Russland wird als politische, ideologische Begründung für die dramatische Aufrüstung herangezogen. Aggressive Absichten gegenüber der NATO werden nicht nur von SIPRI sondern auch von der NATO nahestehenden wissenschaftlichen Instituten wie dem Londoner „International Institut for Strategic Studies“ negiert, sie widersprechen historischen Erfahren aber auch ökonomischen potentialen und militärischen Möglichkeiten. Die russischen Militärausgaben sind ca. 1/13 bis 1/14 der NATO Ausgaben (ungefähr 66 Milliarden Dollar zu 900 Milliarden Dollar 2017).
Als Begründung für die Aufrüstung wird seit dem NATO Gipfel Ende der 90 Jahre auch die gewachsene weltpolitische Verantwortung der NATO angeführt. Diese dokumentier sich in der Ausweitung des militärischen Engagements in der Welt besonders vor allem in nicht der NATO angehörenden Ländern wie u.a. Afghanistan, Irak, Serbien, Libyen. Globale Interventionsfähigkeiten ist eine Begründung für die Aufrüstung.
Autor: Reiner Braun, Sprecher der „Kooperation für den Frieden“ und Co-Präsident des International Peace Bureau