Aufrüstung in Deutschland
Ein Beitrag von Pascal Luig, Juni 2017
Aufrüstung in Deutschland
Fast ein Fünftel des Bundeshaushaltes soll zukünftig für Krieg ausgegeben werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem NATO-Gipfel 2016 in Wales erklärt, „auf mittlere und längere Sicht“ 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für den Verteidigungshaushalt der Bundesregierung bereitzustellen. Dieses Bekenntnis wurde bisher mehrfach abgegeben, aber in der Vergangenheit eher wenig beachtet.
Jahrelang schon liegt der deutsche Verteidigungshaushalt etwa bei 1,2% der Wirtschaftsleistung. Mit der im Weißbuch zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr konstruierten Bedrohungslage sowie den u.a. auch von Präsident Trump vehement eingeforderten 2% des BIP für Rüstung soll sich das ändern. Damit droht Deutschland eine massive Aufrüstung der Bundeswehr.
Die Bundeswehr stehe heute „einer nie da gewesenen Parallelität und Größenordnung von Krisen und Konflikten gegenüber“, formuliert das im Juli 2016 erschiene Weißbuch der Bundeswehr. Neben Fanatismus und Terrorismus in der Welt, ist es vor allem Russland, das als Bedrohung für die Welt dargestellt wird. Weiter heißt es im Weißbuch: „Die Bundeswehr muss in der Lage sein, ihren Beitrag zur Umsetzung der strategischen Prioritäten der deutschen Sicherheitspolitik zu leisten. Das sich dynamisch verändernde Umfeld, unser Gestaltungs- und Führungsanspruch sowie unser Engagement in NATO und EU erfordern die kontinuierliche Aktualisierung und Anpassung des Aufgabenspektrum der Bundeswehr“. Das bedeutet, dass die Bundeswehr nicht nur den Kunstgriff vollzieht, ihr sei eine Bedrohung von außen aufgezwungen worden, auf die es zu reagieren gilt, sie folgt auch einer Logik eines neuen deutschen Machtanspruches.
Die neue deutsche Verantwortung in der Welt, der „Gestaltungs- und Führungsanspruch“ Deutschlands erfordert nach der Logik des Bundesverteidigungsministeriums mehr Rüstung, mehr Soldaten und mehr Auslandseinsätze. Um bei dem Wettlauf der großen und mittleren Mächte um Rohstoffe, Märkte und politischen Einfluss nicht hintenanzustehen, muss die Bundesregierung den Kampf um die Köpfe gewinnen und der Bevölkerung ein massives Aufrüstungsprogramm verkaufen. Währenddessen applaudiert der Verband der deutschen Rüstungsindustrie und lobt die „deutliche Weiterentwicklung im Vergleich zu vorangegangenen Weißbüchern“.
Was aber würde eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auf 2% des BIP bedeuten? Der Haushalt des Bundesministeriums für Verteidigung ist bereits von 34,3 Milliarden Euro in 2016 auf 36,6 Milliarden in 2017 gestiegen. Gemäß den Planungen bis 2020 sollen sich die Ausgaben nochmal auf 39,1 Milliarden erhöhen. Sollte das angestrebte NATO-Ziel der Bundesregierung, 2% des BIPs für Verteidigung auszugeben, erreicht werden, bedeutet dies nach aktuellen Zahlen fast eine Verdoppelung des Verteidigungshaushaltes auf ca. 62 Milliarden Euro. Das volle Ausmaß der ungehemmten Rüstung wird deutlich, wenn man den zunächst vermeintlich harmlos aussehenden 2% der Wirtschaftsleistung den vom deutschen Bundestag beschlossenen Bundeshaushalt 2017 in Höhe von 329 Milliarden zugrunde legt. 62 Milliarden vom Bundeshaushalt würden bedeuten, dass die Bundesregierung plant, 18,84% des gesamten Haushaltes für das Bundesministerium für Verteidigung auszugeben – oder in anderen Worten: Fast ein Fünftel der Ausgaben der Bundesregierung sollen künftig für Krieg ausgegeben werden. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beträgt momentan 8,54 Milliarden Euro was 2,6% entspräche. Die Ausgaben für Bildung und Forschung betragen derzeit 17,65 Milliarden, also 5,26% des Haushaltes. Hier kann durchaus die Frage gestellt werden, ob die ohnehin zu geringen Ausgaben für Soziales und Entwicklungshilfe nicht zukünftig dem Rotstift zugunsten der Militärausgaben zum Opfer fallen.
Insbesondere im Wahljahr 2017 muss es die Aufgabe der Friedensbewegung sein, diesen Trend der ungehemmten Aufrüstung zu stoppen. Es gibt nach wie vor eine breite Ablehnung gegen Krieg in unserer Gesellschaft. Wir müssen es den Kriegsbefürwortern und –profiteuren so schwer wie möglich machen und gegen diesen Rüstungswahnsinn immer wieder streiten.
AUTOR
Pascal Luig – Berlin, Vorsitzender der Naturwissenschaftler*innen-Initiative Verantwortung für Frieden e.V., Koordinierungskreis Stopp Air Base Ramstein und Sprecher der Kooperation für den Frieden
Der Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in Arbeitsheft der Ökumenischen FriedensDekate 2017.