15 Thesen von Winfried Wolf zum Krieg des Kreml gegen die Ukraine
Stoppt die Ausweitung des Kriegs in einen weltweiten Krieg! | Passiver Widerstand gegen die russische Besatzungsmacht! | Stoppt die Spirale der Sanktionspolitik! | Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! | Stoppt das Hochrüstungsprogramm für die Bundeswehr – notwendig ist ein Hochrüsten für Klimaschutz!
(Fassung vom 22. März 2021)
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Die uneingeschränkte Verantwortung für den Ukraine-Krieg trägt die russische Regierung
Die russische Führung begann am Morgen des 24. Februar 2022 einen Krieg gegen die Ukraine. Es handelt sich um einen Angriffskrieg gegen ein souveränes Land. Dieser Krieg ist ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Es gibt für ihn Ursachen, Erklärungen, Hintergründe – aber keinerlei Entschuldigung. Von der russischen Führung ist der sofortige Rückzug hinter die russischen (und weißrussischen) Grenzen vom Stand 23. Februar 2022 zu fordern. Jede Stunde Fortgang des Kriegs kostet Menschenleben, zerstört unnötig Werte, richtet sich auch gegen die innerrussische demokratische Zivilgesellschaft, lässt das Ansehen der russischen Regierung auf internationaler Ebene gegen Null sinken, trägt zur weltweiten Hochrüstung bei, stärkt den weltweiten Militarismus und insbesondere den westlichen Imperialismus und gefährdet in wachsendem Maß den Weltfrieden – was die Menschheit an die Schwelle eines atomar geführten Kriegs führen kann. Die Folgen der Auseinandersetzung für die Weltwirtschaft sind nicht absehbar; sicher ist, dass die weltweite Inflation gestärkt und der Anstieg der Energiepreise beschleunigt wird. Damit bezahlen die einfachen Leute einen erheblichen Teil der Kriegskosten.
Es ist Aufgabe der weltweiten Friedensbewegung, durch vielfältige Aktivitäten, nicht zuletzt durch Demonstrationen, unsere Antikriegspositionen und unsere Solidarität mit der Antikriegshaltung der Zivilgesellschaften in der Ukraine und in Russland zum Ausdruck zu bringen und Druck auf Russland auszuüben, die Truppen zurückzuziehen und wieder den Weg von Dialog und Verhandlungen zu beschreiten. Gleichzeitig müssen wir uns gegen die Hochrüstungspolitik des Westens, der Nato, der EU, der Regierung in Berlin und gegen die Waffenlieferungen in die Ukraine, mit denen der Krieg verlängert und intensiviert wird, einsetzen. Die Politik permanent gesteigerter Sanktionen ist abzulehnen; sie trifft in erster Linie die Bevölkerung in Russland. Sie zielt darauf ab, die russische Regierung zum Äußersten zu treiben und die Energieexporte in die EU zu stoppen. Sie nimmt die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise und eines Finanzcrashs mit unabsehbaren Folgen bewusst in Kauf. Vor allem steigert sie die Gefahr der Ausweitung dieses Kriegs hin zu einem Weltenbrand, zu einem atomar geführten Dritten Weltkrieg.
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Wir, die Friedensbewegung, linke Gruppen und Parteien und fortschrittliche Publikationen, lagen falsch
Ein großer Teil der traditionellen Antikriegsbewegung – darunter die Zeitung gegen den Krieg selbst und ich als Person – haben sich getäuscht, als wir bis wenige Stunden vor Beginn des Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine davon ausgingen, dass die russische Regierung nicht den Krieg sucht. Wir gingen fälschlich davon aus, dass die breit angelegten Manöver der russischen Streitkräfte im Grenzgebiet zur Ukraine und auf belorussischem Boden im Januar und bis zum 23. Februar lediglich der Versuch seien, damit Druck aufzubauen, um eine Verhandlungslösung – oder eventuell eine „Absicherung“ der „Volksrepubliken“ in der Ost-Ukraine, möglicherweise ergänzt um eine völkerrechtliche Anerkennung der Integration der Krim in die Russische Föderation – zu erreichen. Diese Fehleinschätzung hing eng zusammen mit dem bisherigen Verlauf der West-Ost-Konfrontation seit 1990/91, in dem Russland fast ausschließlich reaktiv agierte. Eine vergleichbare Einschätzung wurde auch in fortschrittlichen bürgerlichen Kreisen vertreten – stellvertretend hierfür genannt sei der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi oder der Industrielle und Top-Manager Oliver Hermes, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. Selbst die Regierung in Kiew ging bis zum 23. Februar nicht davon aus, dass eine direkte und flächendeckende Invasion durch russische Truppen stattfinden würde. Es gab nicht einmal eine Mobilmachung der ukrainischen Armee.
Trotz der vielen, die vergleichbar falsch lagen, gilt: Wir haben uns getäuscht. Diejenigen, auch Teile der Linken, hatten Recht, die von einem grundsätzlich aggressiven Charakter der Regierung Putin und davon ausgingen, dass Russland ein typisch imperialistisches Land sei.
Jenseits der Debatten über den Charakter des russischen Staates ist meines Erachtens davon auszugehen, dass es hier einen Umschlag von Quantität in eine neue Qualität gibt. Elemente eines solchen aggressiven Potentials in der Politik des Kreml waren auch früher zu beobachten; vorherrschend in der russischen Politik war jedoch bis Anfang 2022 das Berechenbare, die Ratio. Das scheint seit dem 24. Februar 2022 nicht mehr der Fall zu sein. Oder auch: Seit dem 24. Februar ist die Politik der russischen Führung von einem großrussischen Chauvinismus geprägt.
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