04. Was könnte alles finanziert werden, wenn die Staaten ihre Rüstungsausgaben beenden?
Zum Beispiel Fortschritte auf dem Gebiet der globalen Gesundheitspolitik:
Nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten mit einem ehrgeizigen Szenario die Gesundheitsziele der Vereinten Nationen bei einer Steigerung der Investitionen auf 371 Mrd. USD oder 58 USD pro Person bis 2030 erreicht werden. Zum diesem Modell gehören mehr als 23 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen und der Bau von mehr als 415 000 neuen Gesundheitseinrichtungen. Die Investitionen könnten 97 Millionen vorzeitige Todesfälle in einen Zeitraum von 15 Jahren verhindern, darunter mehr als 50 Millionen Säuglinge und Kinder, die entweder vor ihrem fünften Geburtstag tot sind oder sterben, und 20 Millionen Todesfälle durch nichtübertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere Erkrankungen Krebs. Die Lebenserwartung würde um 3,1 bis 8,4 Jahre ansteigen und in den 67 ärmsten Ländern würden 535 Millionen Jahre gesundes Leben hinzukommen. Allein dieser Fortschritt könnte das Potenzial dieser Länder zur selbständigen Entwicklung enorm steigern.[1]
Auch in Deutschland besteht enormer Investitionsbedarf in Bildung, Wohnraum, Mobilität, Gesundheit, Verkehrsinfrastruktur, Breitbandkommunikation, Energiewende.
Gute Bildung für alle.
Die Arbeit der Pädagog*innen in Kitas und Schulen muss aufgewertet werden. In Kindertagesstätten fehlen 120.000 zusätzliche Erzieher*innen für gute frühkindliche Erziehung[2], in Schulen fehlen 50.000 Pädagog*innen, der Modernisierungsbedarf der Schulen ist enorm. Die Kapazitäten der Studienplätze für Lehrkräfte, Mediziner*innen müssen deutlich dem Bedarf angepasst werden. Universitäten haben Investitionsbedarfe für Modernisierungen und Erweiterungen. Studierende brauchen höhere Ausbildungsförderung.
Bezahlbares Wohnen für alle.
Eine Lücke von 880.000 bezahlbaren Wohnungen allein in den zehn größten deutschen Städten muss in den nächsten Jahren geschlossen werden. Es darf nicht sein, dass Millionen Menschen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen.[3] Das Wohngeld muss angehoben werden.
Umweltverträgliche Mobilität.
Die Schieneninfrastruktur, die Umstellung des ÖPNV auf emissionsfreien Antrieb, der Ausbau der Fahrradwege erfordert öffentliche Mittel in erheblichem Umfang.
Gute Gesundheit für alle.
Die Arbeit der Pflegekräfte und medizinischen Hilfsberufe muss aufgewertet werden. Wir brauchen bessere Personalbemessung und -ausstattung in der Pflege[4], gute ärztliche Versorgung auf dem Land und in der Stadt, eine Modernisierung der Krankenhäuser.
Verkehrsinfrastruktur, Breitbandkommunikation, Energiewende.
Für den Klimaschutz und eine leistungsstarke Volkswirtschaft sind konkrete Bedarfe identifiziert, die sich selbst nach Berechnungen arbeitgebernaher Institute auf dreistellige Milliardenbeträge summieren. [5]
Alten- und Demographie gerechte Infrastruktur in Kommunen.
Die Anpassung vieler Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, von Sportstätten und Bädern, Kultureinrichtungen, Wohngebäuden und des Wohnumfelds älterer Menschen an ihre Bedürfnisse stellt einen notwendigen Beitrag zur Bewältigung des demographischen Wandels und zur Förderung von Wohlstand, Lebensqualität und gesellschaftlichem Zusammenhalt dar.[6]
Autor: Uwe Wötzel, ver.di Bundesverwaltung, Bereich Politik und Planung
[1] https://www.who.int/features/qa/sdg-price-tag/en/
[2] https://www.laendermonitor.de/de/startseite/
[3] Andrej Holm, Stephan Junker, Kevin Neitzel: Wem nutzen wohnungspolitische Maßnahmen? (pdf), Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 93, September 2018 (https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_093_2018.pdf)
[4] In der Altenpflege waren nach Angaben der Bundesregierung im Jahresdurchschnitt 2017 deutschlandweit rund 23.000 Stellen unbesetzt. Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion, Unbesetzte Stellen in der Alten- und Krankenpflege, Bundestagsdrucksache 19/1803 vom 23.04.2018, online: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/018/1901803.pdf
[5] Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft IW Köln, Die Infrastruktur in Deutschland. Zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf, IW Analysen Nr. 95, 2014, online: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/IW-Analysen/PDF/Bd._95_Infrastruktur.pdf
[6] Studie des Deutschen Institutes für Urbanistik, https://difu.de/node/8306