Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rede 5.12. Berlin
Redebeitrag zum Aktionstag „Abrüsten statt Aufrüsten“ am 05. Dezember2020, 13:30 Uhr
Zentrale Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt
Es gilt das gesprochene Wort!
[ANREDE]
willkommen zum bundesweiten Aktionstag unserer gemeinsamen Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“. Die aktuellen Infektionszahlen haben für uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, ob wir zu Kundgebungen und Aktionen auf der Straße aufrufen sollen.
Dass wir es getan haben, zeigt wie ernst wir es meinen mit unserer Forderung an die Bundesregierung: Macht endlich Schluss mit dem Aufrüstungswahnsinn!
Und wir gehen nicht nur hier in Berlin für diese Forderung auf die Straße. Am heutigen Aktionstag wird in rund 100 weiteren Städten und Gemeinden für Frieden durch Abrüstung demonstriert!
Das kann sich absolut sehen lassen. Wir zeigen damit, wie lebendig und stark die Friedensbewegung in unserem Land ist.
Wegen der Pandemie verlangt uns aber gerade dieser Erfolg besondere Vorsicht ab. Wir müssen heute alle aufeinander aufpassen. Deshalb tragt bitte Eure Masken und beachtet die Abstandsregeln – jetzt und wenn wir nachher unsere Menschenkette um den Bundestag bilden!
[ANREDE]
nächsten Freitag wird der Bundeshalt für das kommende Jahr verabschiedet. Die bisherigen Pläne sehen vor, dass der Verteidigungshaushalt auf knapp 47 Milliarden Euro anwachsen wird. Damit werden die Rüstungsausgaben das siebte Jahr in Folge ansteigen. Im kommenden Jahr noch einmal um mehr als 1 Milliarde Euro. Jede und jeder von uns steckt damit 560 Euro in Waffen und Militär.
Das ist doch völlig absurd, wenn wir uns ansehen, was um uns herum los ist. Wir müssen erleben, wie sich in der Corona-Krise soziale Ungleichheiten und die Verteilungskonflikte in unserem Land verschärfen. Und gleichzeitig leistet sich die Politik krasse Fehlentscheidungen bei der Verteilung öffentlicher Mittel. Wie kann es sein, dass der Bundeshaushalt 2021 selbst in Pandemie-Zeiten nur halb so viel Geld für das Gesundheitswesen vorsieht wie für den Rüstungsetat?
Aber das ist doch längst noch nicht alles. Wir leben in einer Zeit gewaltiger Umbrüche. Wenn der Einsatz neuer digitaler Technologien und die Bewältigung des Klimawandels gerecht ablaufen sollen, brauchen wir gewaltige Zukunftsinvestitionen, um unsere Gesellschaft und unseren Sozialstaat zu modernisieren.
Viel Zeit bleibt uns dafür nicht. Das heißt aber auch: Das öffentliche Geld, das wir jetzt in der Corona-Krise für Konjunkturprogramme und Rettungsschirme in die Hand nehmen, muss so angelegt werden, dass daraus Investitionen in die Zukunft werden – in eine ökologisch verträgliche und sozial gerechte Zukunft.
Wir müssen in Schulen und Kitas, in den sozialen Wohnungsbau, in die Gesundheit, in die Alterssicherung, in den ökologischen Umbau und in mehr Klimagerechtigkeit investieren.
Für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ist deshalb völlig klar: Jeder Euro, der die Rüstungsspirale weiter anheizt, ist ein Euro zu viel. Wir brauchen das Geld für weit wichtigere Aufgaben!
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natürlich zielen unsere heutigen Aktionen darauf ab, an den Haushaltsbeschlüssen in der kommenden Woche noch etwas zu ändern. Uns geht es aber um weit mehr.
Wir wollen, dass im kommenden Jahr Zukunftsinvestitionen zum zentralen Thema im Bundestagswahlkampf werden. Das verträgt sich nicht mit dem Aberwitz ständig steigender Rüstungsausgaben.
Und wir haben reichlich Grund, einen Kurswechsel zu fordern. Noch immer ist das NATO-Ziel nicht vom Tisch, dass alle Allianzpartner zwei Prozent ihres BIP für Aufrüstung ausgeben sollen. Für Deutschland hieße das dann, dass sein Verteidigungsetat auf rund 80 Milliarden Euro anwächst.
Soweit darf es auf keinen Fall kommen! Deshalb müssen wir jetzt auch all denjenigen Paroli bieten, die nach der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten lautstark die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels einfordern. Über alle Parteien hinweg hören wir derzeit das Argument, darin läge ein Schlüssel zur Reparatur des transatlantischen Verhältnisses.
Was für ein Unfug! Viel dringlicher stellt sich doch etwa die Frage, wie wir es nach der Rückkehr der USA in das Pariser Klimaschutzabkommen schaffen, miteinander ins Gespräch zu kommen. In das Gespräch darüber, wie die neue US-Administration und die Europäer beim Kampf gegen den Klimawandel enger zusammenarbeiten können.
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Hochrüsten und Waffengewalt lösen keine Probleme. im Gegenteil! Daran sollten wir uns in diesem Jahr besonders erinnern. Es ist 75 Jahre her, dass der Zweite Weltkrieg beendet und die Welt vom Faschismus befreit wurde. Gleichzeitig gedenken wir dieses Jahr der Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki vor 75 Jahren.
Wenn wir uns ansehen, wo wir heute stehen, ist die Bilanz ernüchternd: Die Welt, in der wir leben, ist durch wachsende Instabilität und Unsicherheit gekennzeichnet. Nationalismus, Protektionismus und Militarismus erstarken wieder. Autoritäre, autokratische und völkische Bewegungen machen sich erneut breit. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute. 80 Millionen Menschen werden vor allem durch Krieg oder Bürgerkrieg gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Gleichzeitig nimmt das Risiko militärischer Auseinandersetzungen zu. Am deutlichsten zeigt sich das 75 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki an dem neuen nuklearen Wettrüsten. Alle neun Atommächte stecken Unsummen in die Modernisierung ihrer Waffensysteme.
Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen Anfang des Jahres in Kraft treten wird. Und deshalb fordern wir von der Bundesregierung, dass sie ihre skandalöse Verweigerungshaltung endlich aufgibt und dem internationalen Verbotsvertrag beitritt!
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was wir brauchen, ist ein grundlegendes Umdenken.
Was wir brauchen, ist ein erweitertes Sicherheitsverständnis.
Ein Sicherheitsverständnis, in dessen Mittelpunkt der sozial gerechte Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft steht.
Ein Sicherheitsverständnis, das auf soziale statt auf militärische Sicherheit setzt.
Ein Sicherheitsverständnis, das auf Konfliktvermeidung und Krisenprävention setzt.
Krisenprävention heißt aber auch: Es muss Schluss damit sein, dass wir durch den Rüstungswahn immerzu neue Fluchtursachen erzeugen. Stattdessen müssen wir viel mehr Geld investieren, um Fluchtursachen zu bekämpfen.
Wenn wir also schon über Zwei-Prozent-Ziele sprechen, dann würde es weit mehr Sinn machen, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe entsprechend zu erhöhen. Konkret hieße das für diesen Bereich, dass sich die für 2021 geplanten Ausgaben in Höhe von 19 Milliarden Euro vervierfachen müssten.
Es ist ganz einfach: Wir können es uns schlicht und ergreifend nicht mehr leisten, immer noch mehr Geld für Rüstungsausgaben zu verpulvern.
Abrüsten statt Aufrüsten – daran führt kein Weg vorbei. Sonst gefährden wir dauerhaft den äußeren Frieden – und riskieren durch neue gesellschaftliche Spaltungen auch das friedliche Zusammenleben innerhalb unseres Landes und innerhalb Europas.
Und genau diese Erkenntnis ist es, die auch im anstehenden Bundestagswahlkampf eine zentrale Rolle spielen muss.
Ich danke Ihnen und Euch!
Glück auf!