06. Warum will die NATO aufrüsten? Welche relevanten Bedrohungsszenarien liegen dem Aufrüstungsziel zu Grunde?
Als Reaktion auf die veränderte sicherheitspolitische Situation durch die Ukraine-Krise beschloss die NATO auf ihrem Gipfel in Wales einen Readiness Action Plan (RAP) beschlossen. Neben der Optimierung der Strukturen und Stärkung der militärischen Kräfte wurde eine neue superschnell Eingreiftruppe: Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) installiert. [1]
Durch weitere Truppenverlegungen in den Osten sollen den Sicherheitsinteressen der dortigen NATO – Mitglieder Rechnung getragen werden. Diese ist Bestandteil der NATO Response Force (NFA), der bereits 2002 als multinationale Eingreiftruppe beschossen wurde. Auch die NFA wurde erhöht und den östlichen NATO-Mitgliedsländer eine permanente aber rotierende Präsenz versprochen, die eine der Ursachen für die massiven Truppenverlegungen von der USA durch Norddeutschland Richtung Polen und den baltischen Ländern. Diese Truppenbewegungen wiedersprechen zwar den 2+4 Verträgen, mit denen einen permanente Stationierung von NATO-Truppen an der Russischen Grenze ausgeschlossen werden sollte.
Dieser RAP dient nicht nur als Antwort auf die empfundene Bedrohung aus Russland wegen seinem Verhalten in der Ukraine-Krise, sondern auch als Antwort gegen den Terrorismus und die Risiken und Bedrohungen im Nahen Osten, sowie weiteren Herausforderungen, wie Klimawandel und Sicherung der Ressourcen und Handelswege.
Das alles ist nicht umsonst zu haben, deswegen der Beschluss für die 2 %.
Seit 01. Januar 2019 ist die Bundesrepublik als Rahmennation für die VJTF verantwortlich. Gemeinsam mit den Niederlanden und Norwegen leitet die Bundeswehr diese Einheit, deren Mitglieder aus neun Nationen kommen.
Auf dem NATO-Gipfel in Polen wurde 2016 noch einmal der Präsenz von vier Battle-Groups (Enhanced Forward Presence) im Baltikum und auch im in der Schwarzmeerregion bekräftigt und auch die weiteren Punkte des RAP eingefordert. Diese Truppen agieren sowohl zu Lande, im Meer als auch in der Luft. [2]
Beim NATO-Gipfel in Warschau rückten die Bedrohungen durch die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, den Krieg gegen den Terror und der Kampf gegen den IS ebenso wieder stärker in den Fokus, wie Hybride Kriegsführung und „Verteidigung“ gegen Cyberangriffen. Festgehalten wird auch am sogenannte Raketenabwehrschirm, der die durch den INF-Vertrag abgezogenen Mittelstreckenraketen zurückbringt.
Die Brüsseler NATO-Gipfel 2017[3] und 2018[4] waren geprägt durch Trumps Unberechenbarkeit und der Forderung nach bis zu 4% des BIPs, sowie dem vorauseilenden Gehorsam von von der Leyen, die bereitwillig, die geforderten Erhöhungen der Rüstungsausgaben zusagte. Auch hier wurde auf reale Probleme wie Hunger, Flucht und Vertreibung nur mit weiterer Militarisierung geantwortet. Gelder für Infrastrukturmaßnahmen gibt es nur, wenn diese militärisch notwendig sind, aber nicht, wenn Menschen sie benötigen. Selbst der Personentransport durch die Deutsche Bahn muss hinter den Truppen- und Ausrüstungstransporte für die „Very High Readiness Joint Task Force“ zurückstehen.[5]
Autorin: Kristine Karch, Düsseldorf, Co-Chair intern. Netzwerk “No to war – no to NATO”
[1] Wales 2014 Summit Declaration https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_112964.htm
[2] Warsaw 2016 Summit Declaration https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_133169.htm
[3] Meeting of Heads of State and/or Government, NATO Headquarters, 25 May 2017 https://www.nato.int/cps/en/natolive/events_143956.htm
[4] Brussels 2018 Summit Declaration https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_156624.htm
[5] Bahn frei für die Bundeswehr | Der Rahmenfrachtvertrag für internationalen Schienentransport zwischen Bahn und Bundeswehr | von: Claudia Haydt | 7. Januar 2019 https://www.imi-online.de/2019/01/07/bahn-frei-fuer-die-bundeswehr/