Redebeitrag von Christian Hoßbach zum Aktionstag in Berlin
Am Samstag, den 3.11., hielt Christian Hoßbach (Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg) anlässlich der Aktionstage der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ auf der Kundgebung in Berlin einen Redebeitrag, welcher auch als pdf nachgelesen werden kann.
Christian Hoßbach, Vorsitzender DGB Berlin – Brandenburg
„Abrüsten statt aufrüsten“, Berlin 3.11.2018
In diesen Tagen wird im Deutschen Bundestag darüber entschieden, wofür die öffentlichen Gelder eingesetzt werden sollen. Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Konjunktur läuft immer noch gut in Deutschland. Ja, auch die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken, und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen brav ihre Steuern.
Es ist natürlich eine wunderbare Situation, wenn die öffentlichen Finanzen so gut dastehen. Denn, es ist ja viel zu tun:
- Wohnungsbauförderung, damit wirklich jeder ein bezahlbares Dach über dem Kopf hat
- den öffentlichen Verkehr soweit bringen, dass auch die Leute in den Dörfern eine Chance haben zur Arbeit zu kommen, und die Leute in den Städten nicht wie Ölsardinen in den Straßenbahnen und S-Bahnen stehen müssen.
- Regeln durchsetzen – zum Beispiel dafür sorgen, dass Mindestlöhne tatsächlich gezahlt werden, dass der Arbeitsschutz eingehalten wird. Dafür braucht man Personal.
- Berufsschulen und Arbeitsagenturen modernisieren, damit wir alle in der Lage sind, die Veränderungen des Arbeitsmarktes zu gestalten statt zu ertragen.
- Überhaupt, Bildung stärken, von der Kinderkrippe bis zur Erwachsenenweiterbildung – das ist die Voraussetzung für gelingende Integration.
- Den Strukturwandel in den Braunkohlerevieren tatsächlich aktiv angehen.
Und die Liste lässt sich natürlich noch lange fortsetzen.
All das kostet Geld, und Geld wäre jetzt auch da. Sogar in diesem Bundeshaushalt, wenn wir endlich zu gerechteren Steuern kommen würden, dann noch mehr.
Und welchen Schwerpunkt will die Bundesregierung nun setzen, dieses Jahr und in den nächsten Jahren? – Wohnen, Pflege, Bildung? Ja – es passiert schon etwas, hier ein wenig und da ein wenig.
Richtig geklotzt wird in anderem Bereich, und das will mir nicht in den Kopf. Denn es ist der Rüstungsetat der stärker steigen soll als jeder andere – um mehr als ein Zehntel, auf 43 Milliarden Euro. In den nächsten Jahren auf 60 Milliarden, wenn es nach der Verteidigungsministerin geht.
Wir stellen uns gegen diese Politik. Weil wir das Geld schlicht und einfach dringend für die wirklich wichtigen Dinge im Leben brauchen, für Wohnen, für Bildung, für Soziales, für Zukunft.
Aber selbstverständlich geht es hier um viel mehr als um einen Verteilungskampf um Steuereinnahmen.
Vor hundert Jahren, fast genau auf den Tag, sind die Menschen hier über diese Straßen gezogen, sind aufgestanden gegen die Monarchie, für Demokratie und insbesondere gegen den Krieg, gegen die Kaiser, Zaren und Könige mit ihren Großmachtsfantasien, die nichts aber auch gar nichts mit dem gemein hatten was normale Menschen wollen, egal in welchem Land, damals wie heute. Ein gutes, friedliches Leben.
Der erste Weltkrieg war dann bald zu Ende. Das Leben konnte wieder pulsieren, in Berlin und anderswo. Doch wir wissen, nicht lange danach folgten Faschismus und der zweite Weltkrieg. Die Bilanz der beiden Kriege ist schrecklich: über 80 Millionen Tote. Die Lehre daraus kann nur sein: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Dieses Bekenntnis hat sich keineswegs überlebt. Im Gegenteil! Denn machen wir uns doch heute nichts vor: Genau die Ideologien und Überzeugungen, die schon damals, in den Zeiten der Weltkriege, Hass statt Verständigung geschürt haben, sind weltweit wieder auf dem Vormarsch. Mit ihnen breiten sich autoritäre, autokratische und rechtspopulistische Regime aus. Das internationale Geschehen wird immer instabiler. Eine der Folgen: Nie sind so viele Menschen auf der Flucht gewesen.
Die Entsteheung dieser Weltunordnung hat eine neue Aufrüstungsspirale in Gang gesetzt: Die globalen Rüstungsausgaben sind mit unvorstellbaren 1,7 Billionen US-Dollar so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Nuklearmächte liefern sich ein regelrechtes atomares Wettrüsten. Präsident Trump hat mal eben angekündigt, den Vertrag mit Russland über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen in Europa aufzukündigen. Das muss uns doch alarmieren! Wir begrüßen sehr, dass die früheren SPD-Vorsitzenden, sicherlich mit Willy Brandt im Geiste dabei, und dass auch der Bundesaussenminister hierzu klare Worte gefunden haben und friedenspolitische Initiativen vorgeschlagen haben.
Das ist der richtige Weg – und nicht Aufrüstung à la NATO, à la von der Leyen.
Wir meinen, Deutschland und Europa dürfen nicht aufrüsten, sie müssen sich zu ihrer friedenspolitischen Verantwortung bekennen, sich für internationale Zusammenarbeit, für Konflikt- und Krisenprävention einsetzen. Wir brauchen eine solidarische europäische Friedenspolitik, in deren Mittelpunkt eine faire Globalisierung, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte stehen. Wir brauchen eine Europäische Union, sich geschlossen und entschieden für die weltweite Ächtung von Kernwaffen einsetzt. Lasst uns diese Gedanken einbringen, wenn es nächstes Jahr um die Wahlen zum Europäischen Parlament geht. Denn dafür sollte die Europäische Union stehen: für ein friedliches und soziales Miteinander, nicht für eine Politik des Misstrauens, der Aufrüstung.
Das ist unsere Forderung als Gewerkschaften in der Bundesrepublik und in ganz Europa.
„Abrüsten statt Aufrüsten“ – das ist das Gebot der Stunde.