Rede von Bernhard Trautvetter zum 3.11.2018 in Duisburg
Gegen die Hochrüstung im Haushaltsplan der Bundesregierung
Bernhard Trautvetter: Rede auf der Demonstration Abrüstung statt Aufrüstung in Duisburg. 3.11.2018.
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, wir sind hier in unserem ureigensten Interesse, wir wollen leben. Deshalb stellen wir uns gegen das Geschäft mit dem Tod. Dieses Geschäft tötet bereits lange, bevor die Waffen sprechen.
Die Forderung der Militaristen und ihrer Helfershelfer nach zwei Prozent der Wirtschaftsleistung fürs Militär steht im Gegensatz zu den Lebensinteressen der Menschen. Die Begründung für diese Forderung ist verlogen. Der Verweis auf die russische Militärpolitik hat seit Jahrzehnten nie eine Bestätigung durch das weltweit anerkannte schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI gefunden. Die Militärausgaben des als möglichen Gegner auserkorenen Russland liegen aktuell unter der Gesamtsumme dessen, was Deutschland und Frankreich für Rüstung, Militär und Krieg aufwenden. (1) Wir werden von den Militaristen und ihrer Lobby nicht nur nach Strich und Faden belogen. Sie berauben uns der Ressourcen und der Mittel, die wir brauchen, um unser aller Leben zu bewahren.
Eine direkte Bedrohung der Existenzsicherheit vieler Menschen entspringt der Arbeitslosigkeit durch die Digitalisierung, sie entspringt der Perspektivlosigkeit, die sich mit Armut verbindet.
Not tun Milliarden für Bildung, den sozialen Wohnungsbau, für eine den Namen verdiendende kommunale Infrastruktur, für eine ökologische Wende der Wirtschafts-, Verkehrs- und Energiepolitik. Not tun Milliarden für soziale Sicherheit, für Gesundheit und für die Bekämpfung von Fluchtursachen. Die Hochrüstung ist Raub am Reichtum der Völker. Sie ist nicht das, was die Herrschenden uns dafür ständig vorlügen, wenn sie die Militarisierung ‚Sicherheitspolitik‘ nennen. Dieser Begriff ist eine einzige Lüge, die uns einlullen soll. Es handelt sich um Unsicherheitspolitik. Dazu sagen wir ‚nein!‘ denn wir wollen leben, wir wollen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheit.
Militarisierung kostet Arbeitsplätze: Eine Million in Waffenproduktion investiert, erbringt weit weniger Arbeitsplätze, als in allen herkömmlichen Wirtschaftsbereichen, da diese lange nicht so hoch technisiert, nicht so hoch automatisiert sind, wie die High-Tech-Branche Rüstung.
Und Militarisierung bedroht die Zukunft der Menschheit auch ohne Krieg. In einer Zeit, in der das Überleben der Menschheit unseres Jahrhunderts davon abhängt, dass wir eine ökologische Wende herbeiführen, in einer Zeit, die das sechste Massensterben von Tierarten und Pflanzen genannt wird, zum Beispiel weil der Bestand an Tierarten im letzten halben Jahrhundert um 60 Prozent zurückgegangen ist (2). In dieser Zeit braucht die Menschheit all ihre Ressourcen, die sie bedrohenden ökologischen Gefahren abzuwenden. Die weltweite Militarisierung verbraucht lebenswichtige Ressourcen der Erde. Über die Art und das Ausmaß der ökologischen Schädigung der Erde durch Rüstung, Militär und Krieg existieren bisher kaum Angaben, wohl weil die Geldgeber an solchen Studien kein Interesse haben.. Bekannt ist: Der Militär-Anteil an den Haushalten der Staaten der Welt, beträgt jeweils circa ein Fünftel bis ein Viertel, oft sogar noch mehr. Aus dem Luftverkehr liegt eine spezifischere Zahl vor: Der weltweite Anteil der Militärs am Kerosinverbrauch bewegt sich auch in der Größenordnung von ungefähr einem Viertel aller Emissionen weltweit. (3)
Weitere Skandalzahlen, die wir in diesem Zusammenhang niemals hinnehmen wollen, können und nie hinnehmen dürfen: Die ‚Auslandseinsätze‘ genannten Kriege mit Bundeswehr-Beteiligung haben seit 1991 inzwischen zig Milliarden Euro verschlungen. Die Zahlen dazu halten die Herrschenden bewusst ungenau. Sie schwanken je nach Quelle zwischen über 25 Mrd. und circa 50 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch die Kosten für die Behandlung von Verletzten, die Versorgung von Hinterbliebenen und die Trauma-Therapie zur Behandlung von erkrankten Soldatinnen und Soldaten, die mit ihren Kriegserlebnissen nicht fertig werden. Die Zahl der alleine in Afghanistan zu Tode gekommenen Soldatinnen und Soldaten ist längst schon dreistellig. Und alleine in Afghanistan hat der Krieg fast 3 Millionen Menschen in die Flucht geschlagen. (4) Die Beendigung der Kriegseinsätze von Nato und Bundewehr ist die wirkliche Bekämpfung der Fluchtursachen. Der Krieg gegen die Flüchtlinge in der Sahara, im Mittelmeer und auf der Balkanroute ist ein weiteres nicht-hinnehmbares Element der Unmenschlichkeit, ja des Terrors, des Krieges.
Nun plant die Bundeswehr mit dem diesen Monat in Berlin anstehenden Haushalt eine schrittweise Ausgabesteigerung von 37 Mrd. Euro auf 58 Mrd. Euro. (5)
Ist schon die Hochrüstung ein Raub der Militaristen an den Reichtümern der Erde, an den Reichtümern der Menschheit, dann steigern bestimmte Ausgabepläne dies noch weiter: Im türkischen Incirlik investiert die Bundeswehr für einen Flughafen , der in diesem Aggressorstaat von den ebenfalls aggressiven USA für ihre Nuklearstrategie genutzt werden (6).
Auch in Büchel wendet die Bundeswehr Millionen für die Beteiligung an der Nuklearrüstung auf. Nato und Bundeswehr brechen hier den Atomwaffensperrvertrag, demzufolge die Atomstaaten alles dafür tun sollen, eine nukleare Abrüstung herbeizuführen. Wenn Büchel, also keine 150 Kilometer von hier entfernt, ab vielleicht schon 2019 – und das ist sehr bald! – die neuartigen Nuklearpotentiale der USA unter dem Fachbegriff B 61 – 12 stationiert werden, sind die deutschen Tornados schon dafür umgerüstet worden, dass sie sie im Falle des Nuklear-Krieges zum „Einsatz“ kommen. Die Start- und Landebahn sowie die gesamte Elektronik vor Ort, all das ist ebenfalls bereits mit einem dreistelligen Millionenaufwand aus Steuergeldern den sogenannten neuen Erfordernissen angepasst worden (7).
Das Bulletin der Nuklear-Wissenschaftler hat die Welt-Uhr zur Warnung vor dem Atomkrieg auf zwei vor zwölf vorgestellt. Ein Grund: Durch die meist von Nato-Staaten angefeuerten Kriege zwischen dem Golf, Nord- und Mittelafrika und Osteuropa Gefahr und Realität eines Zerfalls der politischen Ordnung steigen Risiken, die die Krisenmanager überfordern können. Und in der Atomrüstung haben die USA mit den neuen B 61 – 12-Systemen Potentiale, die von Experten aufgrund ihrer ausgefeilten Technik als einsatzfreudiger gekennzeichnet werden (8).
Die Atomrüstung ist der Höhepunkt der Bedrohung des Lebens auf der Erde durch die Planungen der Hochrüstung, durch die Militärs. Deshalb erfreut es mich, dass immer mehr Menschen aufstehen und sich diesem Himmelfahrtskommando entgegenstellen. Wir haben auch den Vorsitzenden des DGB auf unserer Seite: Er schrieb vor zwei Monaten in einem Zeitungsbeitrag:„‘Abrüsten statt Aufrüsten‘ – das ist das Gebot der Stunde. Europa, und an vorderster Stelle Deutschland, kommt dabei eine Vorreiterrolle zu.“(9) Herr Hoffmann bekräftigt hier den Beschluss des DGB-Bundeskongresses zur Friedenspolitik: Zitat: „Zur Aufgabe der Bundeswehr gehört es nunmehr ausdrücklich auch, freie Handelswege, eine gesicherte Rohstoffversorgung sowie die Erschließung und den Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten zu sichern. Mit Friedenssicherung hat dies nichts zu tun. Der DGB lehnt die Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Einsätzen ab.“(10)
Wir fordern mit über 130 000 Bürgerinnen und Bürgern: Abrüstung jetzt! Abrüstung statt Aufrüstung! Das Leben bewahren, statt für den Tod zu rüsten!
Mit Abrüstung ließen sich viele der Probleme lösen, die die Menschen derzeit emotionalisieren und teils in die Arme von Rassisten und Faschisten treibt. Die Beendigung der Fluchtursache Krieg ist der eigentliche Kampf gegen die Fluchtursachen. Die Beendigung der Ressourcenverschwendung Rüstung ermöglicht der Bevölkerung eine lebenswerte sozial gerechte Gesellschaft mit einem qualifizierten Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystem. Von den Erfolgen der Friedensbewegung hängt die Lebendigkeit der Demokratie ab, von ihnen hängt die Zukunft des Lebens ab, denn eine Zukunft hat die Menschheit nur mit Abrüstung und Frieden.
Unser ‚Nein‘ zu Rüstung und Krieg entspringt unserem ‚Ja‘ zum Leben!
(1) https://www.tagesschau.de/ausland/sipri-militaerausgaben-101.html
(2) Hamburger Abendblatt 31.10.2018
(3) https://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=0878
(4) Der Spiegel 26.08.2017 und:
http://www.imi-online.de/2010/06/07/die-rechnung-bitte-s/ und:
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.356890.de/10-21-1.pdf
(5) Bundesministerium für Verteidigung – Website zur Entwicklung und Struktur des Verteidigungshaushalts [https://www.bmvg.de/de/themen/verteidigungshaushalt/entwicklung-und-struktur-des-verteidigungshaushalts/einzelplan-14-13922] + Spiegel, 26.08.2017
(7) Rhein-Zeitung 03.06.2011
(8) https://www.veteranstoday.com/2016/02/13/the-b-61-the-more-usable-nuke/
(9) http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/ruestung-beendet-den-ruestungswahn-a-1574272
(10) www.ag-friedensforschung.de/themen/Gewerkschaften1/dgb2014.html